Willkommen im Carbonzeitalter
In den letzten zwei Wochen fand auf dem Frankfurter Messegelände die Internationale Automobilausstellung statt (kurz: IAA) – und wir entdeckten unter den vielen prächtigen PKWs, heißen Hostessen und zündenden Zubehörteilen auch jede Menge technische Textilien. Vor allem BMW läutete in der Halle 11 das Zeitalter der Carbonfaser ein. Doch der heimliche Carbonstar war für uns ein Forschungsinstitut aus Dresden.
Enrico Ladusch ist sichtlich stolz auf seinen Wagen. Der Ingenieur am Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik der TU Dresden war an der Entwicklung des Ineco-Projekts beteiligt. In der Halle 4 zeigten die Dresdner gemeinsam mit ihren Forschungspartnern ThyssenKrupp AG und dem Leichtbau-Zentrum Sachsen ein Elektrofahrzeug, das dank Carbon-faserverstärktem Kunststoff (CFK) mit Stahlarmierung gerade mal auf 900 Kilogramm Gewicht kommt. Allein die Frontklappe des sportlichen Leichtgewichts wurde dabei in hybrider CFK-Sandwichbauweise angefertigt.
Das heißt auch: bis zu 75 Prozent Gewichtseinsparung gegenüber Serienfronthauben aus Stahl bei gleicher Sicherheit und Steifigkeit. „Und das Beste: Die Fertigung allein von der Frontklappe ist automatisiert und in einem Arbeitsschritt umsetzbar. Unser Projekt trägt somit dazu bei, Deutschland als Leitmarkt für Elektromobilität zu etablieren,“ sagt Ladusch stolz, während er mit fachmännischer Ruhe die Einzelteile des Projektes erklärt. Auch uns hatte der Wagen sofort überzeugt.

Die Karosserie von InEco: Dank CFK-Hybridbauweise verbunden mit einer leichtbaubaugerechten und crashcompatiblen Gestaltung erreichten die Forscher eine Fahrzeugleermasse von nur 900 kg. Copyright: Messe Frankfurt GmbH
Weiter hinten in der Halle 4.0 entdeckten wir am Stand von der ZF Friedrichshafen ein Federbein-Radträger-Model in Leichtbauweise. Dank der Kombination aus Glasfasern und Carbonfasern konnten etwa 40 Prozent Gewicht eingespart werden. Leider durften wir das Modul nicht anheben, da uns eine Dame mit einem Putzwedel dringend davon abriet, auch nur einen Fingerabdruck zu hinterlassen. Schon verstanden, anfassen verboten. Aber so etwas sehen wir gerne auf der Techtextil wieder.
Oben in der 4.1 versteckte sich noch die Frenzelit GmbH, bekannt für ihre Dichtungsmaterialien und technischen Textilien. Schon auf der Techtextil sahen wir die hochtemperaturbeständigen Nadelvliese (bis 1110 Grad Celsius), die als Hitzeschutz vor allem in Turbinen, aber eben auch im Motorraum und in Abgasanlagen verbaut werden.
Doch zurück zu BMW. Die Bayern stellten in der modernsten Halle des Messegeländes ihre vollelektrischen BMW i3 und i8 vor und widmeten sich dabei auch ganz dem Carbon. Schließlich ermöglicht die Passagierzelle (genannt „Life-Modul“) rein aus Carbonfasern erst, dass die Elektroflitzer hunderte Kilometer überwinden können. Eine Informationstafel stellte alles Wichtige rum um Carbon vor, inklusive Herstellungsverfahren und einem Vergleichstest in Sachen Gewicht und Steifigkeit.
Da spielten sich verrückte Szenen ab, wie halb-erwachsende Männer erst mit breitem Grinsen einen Zylinder mit Carbon anhoben, bei der identischen Menge Aluminium (30 Prozent schwerer) schon etwas ins Schwitzen kamen und für den Zylinder mit Stahl (50 Prozent schwerer) fast beide Hände nehmen mussten.
Ob nun in der Textilforschung, in Kleinserie oder im ganzen großen Stil wie bei BMW. Die IAA zeigte: Dank Carbon ist (nicht nur) die Elektromobilrevolution realisierbar. Sicherlich werden wir noch einige Innovationen auf Basis dieser Faser sehen. Wir freuen uns drauf.
Marc Chalupsky