Vier gewinnt

Die Sonne lacht über dem Messegelände – kein Wunder also, dass Dr. Klaus Jansen (links im Bild), Geschäftsführer des Forschungskuratoriums Textil (FKT) – Dachverband der 16 deutschen Textilforschungsinstitute – und Dr. Yves-Simon Gloy, Mitglied der Institutsleitung des Instituts für Textiltechnik (ITA) an der RWTH Aachen, so gut drauf sind. Doch es gibt noch einen Grund für die gute Laune der beiden.

„Wir sind begeistert von den zahlreichen Ausstellern hier auf der Messe, die das Zukunftsthema Industrie 4.0 aufgreifen“, sagen uns die beiden gut aufgelegten Kenner der Branche und halten lachend ihre Hände mit je vier ausgestreckten Fingern in die Kamera. „Vier gewinnt“, sagt Gloy, und Jansen ergänzt: „Die Chancen, dass wir mit dem Thema gewinnen, sind sehr groß.“ Worum geht’s?

Industrie 4.0 wird schon seit längerem als „The Next Big Thing“ bezeichnet, das – grob zusammengefasst – die (immer weiter) fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette meint – ein Trend, der längst auch die Textilindustrie und -forschung erfasst hat. „Die Digitalisierung spielt in der Branche schon seit längerem eine Rolle, hat in der Vergangenheit aber immer einen bestimmten Teil der Wertschöpfungskette in den Fokus genommen – mittlerweile lässt sich der ganze Prozess in Echtzeit erfassen“, erklärt Jansen. „Deutschland ist als weltweiter Fabrikausstatter immer noch an der Spitze, auch deutsche Textilmaschinen und Anlagen besitzen häufig Weltmarktführerschaft, deren Technologie Maßstäbe setzt“, ergänzt Gloy. Es sei daher „hoch erfreulich, dass auf der Techtextil und der parallel stattfindenden Texprocess zum Teil erstmals Textilmaschinen und -anlagen zu dem Thema präsentiert werden“, so Gloy weiter, und hält uns einen Stapel Infomaterial entgegen.

Doch nicht nur die hier gezeigte Anlagentechnologie zur Herstellung von (High-Tech-) Textilien lässt sich unter dem Schlagwort Industrie 4.0 fassen – auch die textilen Produkte selbst werden immer stärker mit einbezogen. „Es ist heutzutage möglich, Informationen direkt aus der Struktur heraus zu gewinnen“, sagt Jansen, und Gloy fügt an: „Ja, Stichwort ‚Structural Health Monitoring‘.“ So lässt sich etwa der Zustand von Bauteilen überwachen, beispielsweise von Rotorblättern an Windkraftanlagen, die mit innenliegenden Sensoren ausgerüstet sind, und die von sich aus Daten über Belastung und ihren Gesundheitszustand übermitteln. Sowohl Jansen als auch Gloy zeigten sich davon überzeugt, dass das Thema Industrie 4.0 gewaltiges Potenzial besitze und einen großen Nutzen für die Gesellschaft mit sich bringe, der „auch unsere Branche sehr positiv beeinflussen wird, bietet er doch die Möglichkeit, durch effizientere Produktionsprozesse hier vor Ort Produkte herzustellen und neue Arbeitsplätze zu schaffen“, so der FKT-Chef – das Thema sei „definitiv Chance und Notwendigkeit zugleich“, sagt Gloy.

Wenn wir uns das Foto der beiden sympathischen Herren so ansehen, fällt uns auf, dass es ein häufiges Dilemma bei der Außenwahrnehmung der „Welt der technischen Textilien“ auf den Punkt bringt: Oft wird Textil als „langweilig“ empfunden, als „unsexy“ belächelt, ist aber seit Jahren eine hoch innovativer High-Tech-Bereich mit spannenden Forschungs- und Anwendungsfeldern – und, wie man sieht, alles andere als langweilig.

Ronny Eckert

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