Texfact of the week: Vietnams Textil- und Bekleidungsindustrie im Aufschwung

In diesem Texfact geht es um einen hochinteressanten Textilmarkt: Vietnam. Wie die Textilwirtschaft berichtet, hat die vietnamesische Regierung einen Wachstumsplan für die Textilindustrie genehmigt. Laut Plan soll die jährliche Produktion von 2013 bis 2020 bis zu 13 Prozent zulegen, die Exporte bis 2020 um ca. 10 Prozent. Für den Inlandsmarkt wird bis 2015 eine Wachstumsrate von bis zu 10 Prozent und bis 2020 ein Zuwachs bis zu 12 Prozent angestrebt. Doch der Weg zu den Top 5 der Textil- und Bekleidungsexporteure ist lang und beschwerlich, was auch die jüngsten gewaltsamen Proteste beweisen.

Der vietnamesischen Textil- und Bekleidungsindustrie könnte es wirtschaftlich gesehen kaum besser gehen. Vietnams Exporte an Bekleidung und Textilien haben sich von 2007 bis 2012 auf 17,0 Mrd. $ verdoppelt. Auch in den ersten drei Monaten diesen Jahres stieg der Export um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Größere Mengen und eine höhere Wertschöpfung in den Betrieben vom Materialeinkauf bis zur Lieferung brachten höhere Erlöse. Die reine Lohnveredelung mit geringen Entgelten verliert auch in Vietnam an Attraktivität. Gleichzeitig weicht die Konfektionierung von simplen Produkten den höherwertigen Bekleidungsstücken und der Annahme von kleineren Orders. Auch die in der Region relativ guten Arbeitsbedingungen haben zum Wachstum beitragen: Ein umfassendes Arbeitsrecht regelt die Arbeitszeiten, limitiert Überstunden und verbietet Kinderarbeit – auch wenn gerade die Überstundenregelung in einigen Fabriken nicht konsequent umgesetzt wird.

In Südvietnam, dem relativ teuren wirtschaftlichen Zentrum des Landes, sind ungefähr 60% der insgesamt circa 6.000 Textil- und Bekleidungsunternehmen beheimatet. (Quelle GTAI. Bildquelle: Uwe Dedering/wikipedia.de)

In Südvietnam, sind ungefähr 60% der insgesamt circa 6.000 Textil- und Bekleidungs-unternehmen beheimatet. (Quelle GTAI, Bildquelle: Uwe Dedering/wikipedia.de)

Schon jetzt machen Textilien und Bekleidung 13,6 Prozent des gesamten Exportvolumens in Vietnam aus. Laut dem deutschen Außenwirtschaftsdienst GTAI entfallen zurzeit etwa 90 Prozent der Textil- und Bekleidungserlöse auf Bekleidungsbereich. Wichtigster Abnehmer von Bekleidung, darunter vor allem Freizeitkleidung, ist mit 48 Prozent die USA. Die Europäer machen rund 16 Prozent der Nachfrage aus und ordern eher in kleineren Mengen, fordern dafür aber höhere Qualität. Wichtigster und kostengünstigster Zulieferer von Stoffen bleibt der direkte Nachbar China, gefolgt von Südkorea. Dies könnte sich jedoch bald ändern: Erst Anfang Mai protestierten Vietnamesen gewaltsam gegen die chinesischen Besitzansprüche im Südchinesischen Meer. Demonstranten setzten mehrere chinesische Textil- und Schuhfabriken in Brand und plünderten Industrieparks, darunter versehentlich auch viele Fabriken, die Investoren aus Taiwan und Singapur gehören, aber chinesisch aussahen. Wie sich das Verhältnis der beiden Länder entwickeln wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. China ist Vietnams größter Handelspartner, gleichzeitig wehrt sich das kleine Land, einst eine Provinz Chinas, gegen die immer neuen Provokationen des großen Nachbarn.

Die Ziele der vietnamesischen Regierung sind trotz der jüngsten Ereignisse hochgesteckt: Das Land will bis 2020 zu den Top Fünf der Textil- und Bekleidungsexporteure gehören. Wie GTAI weiter berichtet, könnte die Branche 2020 statt geplanten 25 Mrd. sogar 50 Mrd. US-Dollar an Einnahmen im Ausland erzielen. Ermöglichen sollen dies moderne und spezialisierte Fabriken vor allem im städtischen Bereich. Fünf Millionen Arbeiter sollen bis 2025 einen Produktionsausstoß von 12 Mrd. m² erreichen. Auch verbesserte soziale Standards, allen voran bessere Löhne, und Umweltschutzbedingungen sollen mehr Investoren und neue Auftraggeber ins Land locken – auch weil . Zwar gefährden die stetig steigenden Löhne langfristig die Wettbewerbsfähigkeit, gleichzeitig fordern vor allem Großkunden aus den USA und Europa bessere Arbeitsbedingungen und mehr Sicherheit. Zudem verhandelt Vietnam gerade über Freihandelsabkommen mit Europa, den USA, der EFTA und Südkorea. Sollte die Abkommen wie erwartet bis 2014 umgesetzt werden, würden Steuern auf vietnamesische Textil- und Bekleidungsprodukte in den USA und Europa komplett entfallen. Schon jetzt spürt die Industrie laut just-style.com die positive Stimmung angesichts der laufenden Verhandlungen. Schließlich plant die Regierung den Aufbau einer Zulieferindustrie, um die Importabhängigkeit von China zu lockern.

Ob Vietnam dadurch bis 2020 zu den Top 5 Exporteuren gehört, bleibt fraglich. Wir irren uns aber gerne!

Marc Chalupsky

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