Teil 1: Technische Textilien sind nachhaltig – was auch sonst?
Es liegt schlicht in der Natur der Dinge: Technische Textilien sind vor allem eines, sie sind nachhaltig. Schließlich helfen sie immer in irgendeiner Form Energie zu sparen und Ressourcen zu schonen. Da inzwischen die ganze Welt versucht Energie zu sparen und Produktionsprozesse für die Umwelt weniger schädlich zu machen, ist der durchschlagende Erfolg von Technischen Textilien nicht aufzuhalten. Das erklärte Ziel ist es, Produkte und Produktionsprozesse zu realisieren, die komplett unschädlich für Mensch und Natur sind.
Übrigens ist das auch das Ziel des Cradle-to-Cradle-Prinzips (von der Wiege zur Wiege). Ein Beispiel dazu? Die Sitze im Riesenflieger Airbus A380 von Recaro Aircraft Seating, deren Sitzbezüge komplett kompostierbar sind. Nach Gebrauch werden sie zu Nährstoffen für Baumwollpflanzen, aus denen wiederum neue Sitzbezüge hergestellt werden. Etwas anders gelagert sind textile Dämmmaterialien im Baubereich, die jedoch wichtige Beiträge zur Senkung des Energieverbrauchs und damit zur CO2-Emissionsminderung liefern. Apropos CO2-Ausstoß. Im Fahrzeugbau kann der CO2-Ausstoß bei einer Gewichtsreduzierung von zehn Kilogramm schätzungsweise um 1 g/km gesenkt werden. Das Unternehmen Faurecia hat dazu bei seinem BioMat-Projekt ein Spritzguss-Material mit einer Fasermatrix auf rein biologischer Basis entwickelt, das Materialien auf Grundlage von Mineralöl vom Markt verdrängt. Bei BioMat wird Polybutylensuccinats (PBS) mit Fasern auf Hanf-Basis kombiniert, sodass ein vollständig aus natürlichen Substanzen bestehendes Material entsteht. Diese patentierte Technologie wird voraussichtlich ab 2016 in den Autos eingesetzt und ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Verwendung von Naturmaterialien auf dem Automarkt. BioMat verringert die Abhängigkeit der Industrie vom Ölpreis und hilft bei der Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen. Der Anteil recyclingfähiger Materialien im Auto wird damit weiter steigen und die Ökobilanz verbessert. Die Türverkleidung im VW Golf besteht ja auch schon aus Naturfasern, genauer gesagt aus LignoLite Naturfasern (LignoLight von Faurecia kombiniert Holzfasern mit Bindemitteln auf Ölbasis).
Damit sind wir bei den Fasern. Die Faserindustrie hat ja auch große ökologische Auswirkungen auf die nachfolgenden Stufen, da sie ganz am Anfang der Prozesskette steht. Viscosefasern, die auf Cellulose und damit auf Holz basieren, sind von Natur aus ökologisch und CO2-bindend. Hiermit allein ist aber noch keine Nachhaltigkeit gegeben, das weiß auch Kelheim Fibres, führender Hersteller von Viscosefasern und setzt zudem auf einen minimierten Rohstoffeinsatz, die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abwasser und Abluft, die Verwendung umweltfreundlicher Energiequellen sowie Nutzung von mehr als 90% des Primärenergiegehaltes durch Kraftwärmekopplung. Nachhaltigkeit ist auch das erklärte Ziel der TVU Textilveredlungsunion. Der Wasserverbrauch pro Kilogramm Garn wurde um 30% gesenkt, die Wärmeenergie konnte insgesamt um 20% verringert werden und auch der Stromverbrauch ging um 10% zurück. Bis 2020 will TVU nun nachhaltiger Marktführer in Europa sein und achtet daher schon heute bei seinen eingesetzten Farbstoffen, Chemikalien und Verfahren auf ein höchstes ökologisches und gesundheitsverträgliches Niveau.
Technische Textilien tragen in Form von Nonwovens auch zur Bewahrung von Süßwasser, als unsere allerwichtigste Ressource bei. Etwa wenn zur Filtrierung oder Wasseraufbereitung eingesetzt. Deutsche Hersteller Technischer Textilien sind hier ebenso führend, wie auch in Bezug auf Umwelt-, Sicherheits- und Sozialstandards. Dazu setzen sie auf unternehmenseigene Nachhaltigkeitsstrategien und Corporate Social Responsibility (CSR)-Programme. Zertifizierungen sorgen zudem für das notwendige Vertrauen bei Kunden und Partnern. Ein relativ junges Zertifikat stellt STeP von Öko-Tex dar, mit dem Marken, Handelsunternehmen und Hersteller der textilen Kette hinsichtlich ihrer Produktionsbedingungen und dem Einsatz umweltfreundlicher Technologien und Produkte analysiert und bewertet werden. Relevant sind hier Chemikalien-, Umwelt-, Qualitätsmanagement, soziale Verantwortung und Arbeitssicherheit. Mattes & Ammann, Hersteller von Technischen Textilien unter anderem für die Automobil- und Medizinbranche, würde als erstes Textilunternehmen in Deutschland und im EU-Wirtschaftsraum im Juli 2013 nach STeP zertifiziert. Bis Ende 2014 will das Unternehmen nun auch erste Produkte aus dem nachhaltigen Rohstoff der Nesselfaser auf den Markt bringen, mit Herstellern der natürlichen Fasern Spinnenseide und Milchfaser kooperiert man bereits.
Nachhaltigkeit gewinnt also in der Faserindustrie immer mehr an Bedeutung. Doch was ist mit den Textildruckern, die für ihren großen Ressourcenbedarf bekannt sind? Was tun die Textilmaschinenhersteller? Und was können wir in Zukunft noch erwarten? Mehr dazu am Montag.
Die Autorin: Iris Schlomski
Iris Schlomski, studierte Dipl.-Ing Bekleidungstechnik, ist freie Fachjournalistin für Unternehmen, Institutionen und Redaktionen der Textil-und Bekleidungsbranche. Seit 2002 ist sie zudem Chefredakteurin verschiedener bekannter Textilfachzeitschriften und seit Januar 2009 Chefredakteurin des zweisprachigen Textilmagazins textile network.