Techtextil zeigt „fashionating future“
Vom US-amerikanischen Science-Fiction-Autor William Gibson stammt das Zitat: „Die Zukunft ist schon da, sie ist nur ungleich verteilt“. Die bevorstehende Techtextil will mit Trends, Innovationen und Impulsen für die Mode von morgen dazu beitragen, dass der Satz zumindest für die Textil- und Bekleidungsindustrie seine Gültigkeit verliert.
Hat der Bau eines neuen Logistikzentrums die Insolvenz der Modefirma Gerry Weber ausgelöst? Das zumindest erklärte Gründer Gerhard Weber Ende Februar dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ über die Halle. „Sie war der Knackpunkt, dass wir in Schieflage gekommen sind“, zitiert ihn das Blatt. Dass ein internationales Modeunternehmen mit einem Jahresumsatz von 881 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2016/17) wegen der Errichtung einer Lagerhalle wirtschaftlich den Faden verliert, hat für Joachim Rees eine gewisse Symbolkraft mit Blick auf den Wandel in der Textil- und Bekleidungsindustrie.
„Die Insolvenz von Gerry Weber war nicht überraschend, auch die Probleme von Esprit und Tom Tailor wundern mich nicht“, sagt der Managing Director bei der Multi-Plot Europe GmbH, einem Anbieter digitaler (Textil-)Drucksysteme. Die Gründe sieht Rees in verschiedenen Faktoren: Fast Fashion, Innovationsunlust, verändertes Kaufverhalten und Festhalten an überkommenen (Logistik-)Strukturen. „Die Branche ist in einer Übergangsphase“, sagt er.
Material-Mekka und Neuheiten-Plattform
Es sind vor allem Megatrends wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Individualisierung, die die Zeichen des Umbruchs radikal in die Textil- und Bekleidungsindustrie weben. Zwar lebt kaum eine andere Branche so sehr vom Wandel, dennoch fragen sich viele: Wie sieht die Zukunft der Mode aus? Die Techtextil will darauf Antworten geben, denn „Innovationen beginnen nicht beim Produkt, sondern beim Material, bei den Maschinen, Anlagen, Verfahren und Prozessen“, sagt Dominik Fuss. Er hat für Marken wie Vaudé und Zimtstern gearbeitet und dem Bluesign-Siegel für umweltfreundliche Produktionsabläufe wie Färben, Bedrucken oder Beschichten zu öffentlicher Wahrnehmung verholfen. Für Fuss ist klar: Die Zukunft der Mode(industrie) beginnt auch auf der Techtextil, denn die Messe führt alle Akteure der textilen Wertschöpfungskette zusammen. „Sie ist Material-Mekka und Neuheiten-Plattform“, sagt Fuss, der gerade gemeinsam mit Greenpeace an der Entwicklung von Geweben aus nachwachsenden Fasern arbeitet.
Micro Factories zeigen Makro-Trends
Eine der wichtigsten Fragen derzeit ist, wie man mit dem veränderten (Online-)Kaufverhalten der Kunden umgeht. Bisher wurde Mode vor allem vom Produkt aus gedacht. Inzwischen aber rückt der Konsument mit seinen schnell wechselnden Bedürfnissen und schwer vorhersagbaren Wünschen immer stärker in den Fokus. Doch Mode im Stil von „Pay per Piece“ und „Fashion on Demand“, bei dem erst nach der Bestellung gefertigt wird, erfordert eine smartere Produktion. Wie eine solche modernisierte (und digitale) Wertschöpfungskette aussehen könnte, zeigen in Frankfurt insgesamt fünf Micro Factorys rund um Themen wie Customizing, Nachhaltigkeit, Produktionsmanagement und roboter-gestützte Herstellung.
Eine Weltpremiere ist die „Smart Textiles Micro Factory“ (Messehallen 4.1/5.1), die das Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University mit Partnern aus Industrie und Forschung aufbauen wird. Sie soll zeigen, dass auch die Fertigung intelligenter Textilien, bei denen Stoff und Elektronik miteinander verbunden werden, dank neuester Maschinentechnologie, Automatisierung und Digitalisierung inzwischen in Serie möglich ist. In den Planungen für die Mode der Zukunft spielen smarte Textilien nicht ohne Grund eine große Rolle: Laut einer im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellten Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung soll ihr weltweites Marktvolumen bis 2022 auf knapp fünf Milliarden Euro anwachsen. Allein für Deutschland wird den intelligenten Textilien für 2030 ein potenzielles Umsatzvolumen von 4,2 Milliarden Euro vorhergesagt.
Inspiration, Innovationen und Impulse
„Die Techtextil bietet Gelegenheit, sich das neueste Hintergrundwissen zu textilen Materialien, Maschinen, Verfahren und Produkten anzueignen“, sagt Michael Jänecke, Director Brand Management Technical Textiles & Textile Processing der Messe. Der Einblick in die verschiedensten Herstellungs- und Verarbeitungsschritte von Bekleidung, in die Vielfalt textiler Materialien und deren Anwendungsmöglichkeiten helfe zu verstehen, wie Kleidung effizient und umweltschonend zugleich produziert werden könne. „Die Messe liefert Designern, Produktentwicklern und Händlern Inspiration, Innovationen und Impulse für die Mode von morgen“, so Jänecke. +++
Bild: bleed clothing GmbH