Technische Textilien: Quo vadis?
Kaum ein Abschwung bei technischen Textilien in Sicht: Pünktlich zur Techtextil erschien eine unabhängige Studie des deutschen Außenwirtschaftsdienstes Germany Trade& Invest (GTAI) mit dem Titel „Deutsche High-Tech Textilien erobern den Weltmarkt.“ Das fast schon Bekannte in der Studie: Deutschland bleibt auch 2013 globaler Marktführer im Bereich der technischen Textilien. Das Neue: Der außereuropäische Absatz vor allem in wachsende Drittländer wie Brasilien oder Indien wird in den nächsten Jahren teilweise deutlich steigen
Seitdem deutsche Unternehmen in den 1960er Jahren den Strukturwandel hin zu technischen Textilien einläuteten, hat sich viel getan. Mittlerweile stehen technische Textilien für 50 Prozent des gesamten Umsatzes mit Textilien. Der Export erwies sich dabei vor allem in Krisenzeiten als rettender Anker. Etwa 43 Prozent verdienen die Hersteller der technischen Textilien heute im Ausland – vier Mal so viel wie 1970. Weltweit liegt die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie bezogen auf Exporte nach China und Italien auf Platz 3. Allerdings schrumpfte der Anteil der Ausfuhren in die EU im letzten Jahr um fünf Prozent – der Schuldenkrise sei „Dank.“ Die Textilindustrien in Griechenland und Zypern existieren fast nicht mehr, Italien, Belgien und Spanien haben ebenfalls derzeit andere Sorgen und ließen die Exportquote kräftig einbrechen.
BRIC im Blick

3D-Abstandsgewirk – ideales Puffermaterial für vielfältige Anwendungen (Quelle: M. Richter/Messe Frankfurt)
Europa ade? Mitnichten, denn immer noch werden rund 70 Prozent der gesamten Textilien- und Bekleidungsstücke in die EU-27 exportiert, der Rest geht in Drittländer. Brasilien, Russland, Indien und China entwickeln sich aber zunehmend als textilhungrige Handelsplätze in sonst gesättigten Märkten. Zeit also, portugiesisch, russisch und hochchinesisch zu lernen oder die indische Begrüßung zu üben? Bei einem Exportplus von 12 Prozent bei den sogenannten BRIC-Staaten und wirtschaftlich (immer noch) exzellenten Aussichten wäre dies keine schlechte Idee. Immer mehr Unternehmen und Institute bauen derzeit in diesen Ländern Vertriebsgesellschaften auf und kooperieren mit ansässigen Universitäten beziehungsweise haben dies vor. Schuldenkrise hin oder her, die technische Textilindustrie lässt sich aufgrund eines stabilen Exportes ihre gute Laune nicht vermiesen.
Der aktuelle Konjunkturbericht des Gesamtverbandes textil+mode scheint den positiven Eindruck leider nicht zu bestätigen. Wuchsen die Segmente der technischen Textilien und Vliesstoffe im April noch zweistellig, mussten sie im Mai wieder einige Federn lassen. Die Branchenstimmung hat sich ebenfalls insgesamt etwas eingetrübt. Trotzdem sind sich GTAI und textil+mode einig: Wachsende Industrien wie der Automobil-, Metall- oder Baubereich suchen händeringend nach Innovationen und schauen sich dabei immer öfters im Textilbereich um. Hier bringt die Textilindustrie in Zusammenarbeit mit den 16 Textilforschungsinstituten fast monatlich eine Neuheit auf den Markt.

Gewebe für die Flüssig-Fest-Filtration wie z. B. Abwasser-, Papiermaschinenfilter erfreuen sich weltweit großer Nachfrage (Quelle: Nextrusion GmbH/Messe Frankfurt).
Allen, die mehr wissen wollen, sei die Studie ans Herz gelegt. Das GTAI schreibt übrigens auch regelmäßig über andere (Textil-)Märkte. Beispielsweise kann sich die russische Textilindustrie aktuell nur im Segment der technischen Textilien behaupten, einem immer größeren Markt für das riesige Land. Gleichzeitig schrumpft aktuell der Absatz von in China produzierten Chemiefasern – und das bei einem immer noch prognostizierten Exportwachstum von bis zu 15 Prozent in diesem Jahr. Die Regierung investiert zudem ehrgeizig etwa in neue Nylon-Fabriken für die Produktion von – Achtung – technischen Textilien.
Quelle: Wunderwerkstoff Carbonfaser – für Leichtbauentwicklungen für die Luftfahrt, Automotive und Sport/Freizeit unerlässlich (Quelle: SGL Kümpers/Messe Frankfurt)
Marc Chalupsky