Tech meets Fashion (Week)

Als Textilenthusiasten endet unser Interesse an Fasern natürlich nicht an den Türen der Techtextil. Immer wieder zieht uns die Neugierde auf Trends und Entwicklungen auch zu Messen und Veranstaltungen, die auf den ersten Blick nicht zwingend mit technischen Textilien zu tun haben. Anfang Juli etwa waren wir auf der Berliner Fashion Week – und staunten inmitten des Treibens aus Labels und Lifestyle gar nicht schlecht, dass Hybride aus „Tech“ und „Fashion“ an uns vorüber defilierten (Wie, das Wort kennen Sie nicht? Banause!). Ein Trend?

Da hätten wir zum Beispiel die Stuttgarter Designerin Birgit Sophie Metzger, die vornehmlich Hüte und Accessoires entwirft und herstellt. Nach einem kurzen Plausch über aktuelle Entwicklungen im Bereich Kopfbedeckungen, bei dem wir die stilbewusste Dame mit „Fachwissen“ (ja, wir gestehen, seit „Sex and the City“ wissen auch wir, wer Philip Treacy ist) für uns gewinnen konnten, zauberte sie einen ganz speziellen Kopfschmuck hervor: einen Hut, hergestellt aus Abstandsgewirke (s. Foto oben). „Hut ab!“, entfuhr es uns spontan, denn die doppelflächigen Textilien mit dem fast Nichts dazwischen kommen sonst aufgrund ihrer optimalen Luftzirkulation normalerweise im Automobilbereich, etwa bei Sitzen und Innenraumverkleidungen, in der Medizin oder bei technischen Anwendungen in der Industrie zum Einsatz.

Fünf Modelle dieser Hüte hat Designerin Metzger, die sich das Material dafür von einem englischen Stoffproduzenten liefern lässt, in ihrer aktuellen Kollektion. Auf dem Bild trägt sie übrigens ihren Lieblingshut, „Triangel“ genannt, mit dem sie laut eigener Aussage sogar im Berliner Nobelhotel Adlon die Blicke auf sich zog. Zudem sei der technisch-textile Kopfschmuck, den man sogar in die Waschmaschine werfen kann, ideal für den Transport, weil er jede Reise im Koffer knitterfrei überstehe. Dann hieß es „Bye, Birgit Sophie“, denn wir wollten noch mehr bestaunen – zum Beispiel Rhabarberleder.

Knöterichgewächs macht in Mode

Liebhaber von Dessert könnten ihr Rhabarberkompott bald mit ganz anderen Augen sehen, denn die zur Familie der Knöterichgewächse gehörende Pflanze kann mehr als nur gut schmecken: Mit einem Extrakt ihrer Wurzel lässt sich auch Leder gerben. Hinter diesem Ansatz steht ein Team aus Forschern der Hochschule Anhalt, die am Standort Bernburg die chemischen Verbindungen innerhalb der Pflanze analysiert und das komplexe Extraktionsverfahren entwickelt haben. Der offensichtliche Vorteil des feschen Gewächses: Rhabarberextrakt ist rein natürlich. Das macht die Verwendung von schwermetallischem Chromsalz, das üblicherweise zum Gerben verwendet wird, überflüssig. Im Ergebnis ist Rhabarberleder hautverträglich und selbst für Allergiker geeignet.

 Handy trifft Rhabarberleder – Smart Cases aus dem Hause Deepmello

Handy trifft Rhabarberleder – Smart Cases aus dem Hause Deepmello

So simpel die Idee, so komplex ihre Umsetzung: Dem finalen Extraktionsverfahren gingen vier (!) forschungsintensive Jahre voraus. Als es 2009 erstmals gelang, das Extrakt aus der Rhabarberwurzel in optimaler Form zu gewinnen, schaltete Teammitglied Dr. Anne-Christin Bansleben sofort auf Transfer: Getreu dem Gedanken „Aus der Forschung in die Praxis“, gründeten die Ernährungswissenschaftlerin und ihr Team ein eigenes Rhababerleder-Label, unter dem sie in Zusammenarbeit mit verschiedenen Designern Bekleidung, Taschen, Schuhe, Accessoires und sogar Smart Cases (s. Foto) herstellen.

Tech. Fashion. Teshion?

Der Transfergedanke, bekanntes und innovatives Forschungs-Know-how in konkrete Verfahren und Produkte zu überführen, spielt auch in der Textilforschung eine entscheidende Rolle. Dass er mittlerweile in ansehnlich funktionale Hybride aus „Tech“ und „Fashion“ mündet, scheint um sich zu greifen. Auf Nachfrage beim Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West in Krefeld bestätigt uns Dr. Markus Oberthür, Leiter der Arbeitsgruppe „Supramolekulare Chemie und Funktionelle Oberflächen“, dass immer wieder junge Designerinnen und Designer gezielt anfragten, wie sich Wirk- oder Duftstoffe mit speziellen Trägermolekülen in Bekleidung integrieren ließen. Und es bleibt nicht nur beim Anklopfen: Inzwischen gibt es sogar konkrete Projekte zwischen Institut und Designstudenten. Bei einem soll etwa übler Schweißgeruch durch spezielle Behandlung des Textils dauerhaft aus Oberbekleidung verbannt werden.

Wir rätseln gerade: Gibt es eigentlich schon ein Wort für die Verbindung aus „Tech“ und „Fashion“? Wie wäre es mit „Teshion“? Und heißt der „Catwalk“ bald „Techwalk“? Nun gut, bevor wir uns hinreißen lassen: Liebe Designerinnen und Designer, zum Aufsaugen von Inspirationen auf der nächsten Techtextil im kommenden Mai für weitere spannende „Tech-Fashion-Hybride“ seid ihr herzlich (!!) willkommen.

Ronny Eckert

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