Rein im Raum
Staub, Mikroben und Mikropartikel sind in Reinräumen so erwünscht wie der Pickel auf der Stirn kurz vorm ersten Date. Materialien für solche Räume müssen deshalb höchsten Reinheitsanforderungen entsprechen. Das gilt auch für technische Textilien, wie die Reinraummesse Cleanzone im Oktober in Frankfurt am Main zeigte.
Mikroelektronik, Luft- und Raumfahrt, Pharma- und Lebensmittelindustrie oder Krankenhäuser – in den Reinräumen dieser Bereiche herrscht an luftgetragenen Teilchen, Staub und Mikroben die (fast) reine Leere. Das ist wichtig, denn schon Partikel der Bruchteilgröße eines Mikromillimeters können bei der Herzoperation oder Halbleiterfertigung eine kleine Apokalypse auslösen. Bekleidung für den Reinraum muss in der Lage sein, kleinste Partikel zurückzuhalten – und zwar in beide Richtungen. „Die Barrierefunktion ist auch nach innen gerichtet, denn der Mensch gibt bis zu einige Millionen Partikel ab – pro Minute“, sagt Annett Seidel, Prokuristin der Plauener Seidenweberei.

Hindernis aus Fasern: Die Stoffe der Plauener Seidenweberei sollen Flüssigkeiten, Partikel und Mikroben auch mit Ausweis nicht passieren lassen (Quelle: Plauener Seidenweberei)
Das Unternehmen, das Bettwäsche, Pyjamas und weitere Heimtextil-Accessoires aus Seide herstellt, fertigt seit über zehn Jahren auch Polyestergewebe für Reinraumbekleidung. Der Bereich macht inzwischen etwa 13 Prozent des Gesamtumsatzes von rund 2,2 Mio. Euro aus. Das Plauener Gewebe wird vorwiegend zu Mehrwegbekleidung weiterverarbeitet, zum Beispiel zu Bezügen für Krankenhaus-Bleischürzen, Ganzkörperoveralls für Labore oder Hauben für die Mikroprozessor-Herstellung. Auch für erfahrene Textilhersteller kein leichtes Unterfangen, denn der Anspruch an Reinraumgewebe ist umfassend. „Es muss robust, reißfest, dekontaminierbar sein und dazu noch ein gutes thermostatisches Verhalten aufweisen – und all das natürlich ohne dass der Tragekomfort darunter leidet“, umreißt Seidel das Anforderungsprofil.

Reine Leitfähigkeit: Geht es nach der Bandweberei Amohr, sollen smarte Bänder wie dieses künftig in Reinräumen als textile Sensoren fungieren (Quelle: Amohr)
Die ebenfalls auf der Cleanzone vertretene Bandweberei Amohr Technische Textilien aus Wuppertal indes will künftig vermehrt elastische Bänder in den Reinraum bringen. „Wir haben die Messe genutzt, um unsere Fühler Richtung Reinraum-Branche auszustrecken“, sagt Amohr-Geschäftsführer Christoph Mohr. Die elektrisch leitfähigen Bänder des international tätigen Unternehmens, das unter anderem Isolationsbandagen für Windradgeneratoren fertigt, sollen künftig in Reinräumen Feuchtigkeit, Druck oder Dehnung sensorisch erspüren. „Wir glauben, dass die Möglichkeiten textiler Bänder in dieser Branche bisher noch weitestgehend unbekannt sind“, ist sich Mohr sicher.
Als internationale Fachmesse für Reinraumtechnologie versteht sich die Cleanzone als Innovationsforum der Branche. In diesem Jahr verzeichnete die Veranstaltung mit rund 1.200 Teilnehmern aus 40 Ländern ein Besucherplus von 16 Prozent.