„Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit sind die Herausforderungen“
Mit „Sustainability at Techtextil“ und „Sustainability at Texprocess“ machen die Techtextil und die Texprocess vom 14. bis 17. Mai 2019 entsprechende die Nachhaltigkeitsansätze ihrer Aussteller sichtbar. Eine unabhängige, internationale Jury aus Nachhaltigkeitsexperten bewertete teilnehmende Unternehmen auf Basis gängiger nationaler und internationaler Nachhaltigkeitssiegel. Wir haben mit Jan Laperre von Centexbel und Mitglied der Jury gesprochen.
Wo liegen aktuell die größten Herausforderungen in Ihrer Branche, wenn es um Nachhaltigkeit geht?
Zurzeit beschäftigen uns vor allem kreislauffähige, nachhaltige Kleidung und andere textile Produkte. In Anbetracht des hohen Chemikalienaufkommens beim Entstehungsprozess und bei den einzelnen Stufen in der Faserherstellung sowie der Veredlung von textilen Produkten, sind Nachhaltigkeit und die Kreislauffähigkeit aktuell die größten Herausforderungen.
Gilt das für Natur- und Kunstfasern gleichermaßen?
Fasern, die weniger Anbaufläche, weniger Wasser, Chemikalien und Energie brauchen, werden künftig immer wichtiger werden. Und solche, die leichter recycelt werden können ohne ihre mechanischen Eigenschaften zu verlieren, ebenso. In diesem Zusammenhang wird Hanf für Kleidung gegenüber der Baumwolle an Bedeutung gewinnen. Außerdem werden Fasern, die aus Biomasse wie Sägespänen oder anderen Holzabfällen hergestellt sind, zunehmend Fasern ablösen, die gepflanzt und in einem landwirtschaftlichen Prozess geerntet werden. Viskose, Tencel und andere synthetische Fasern werden traditionelle Baumwollfasern mehr und mehr verdrängen.
Das verhält sich bei synthetischen Fasern ähnlich. Die Menge der eingesetzten Chemikalien, die nötige Energie und die Möglichkeit des Recyclings werden in Zukunft die Wahl von Fasern für textile Produkte in entscheidendem Umfange bestimmen. Das heißt konkret, dass PET-Fasern wichtiger als andere synthetische Fasern werden.
Welche Bereiche der Textilbranche sind besonders fortschrittlich und warum?
Bei Unternehmensbekleidung (Workwear, PSA), die hauptsächlich in Europa entwickelt wird, liegt der Fokus viel mehr auf Nachhaltigkeit als bei modischen Textilien und hier vor allem auf Bekleidung. Bei der Beschaffung und den damit verbundenen Kosten spielen ein längerer Lebenszyklus der textilen Produkte und die unproblematische Erhaltung bzw. Instandhaltung eine zunehmend größere Rolle.
Beschreiben Sie die künftigen Herausforderungen?
Dematerialisierung, also der möglichst geringe Einsatz von Materialien, die Entgiftung – Stichwort Reach-Anforderungen – Schonung der Textilien durch verbesserte Wasch- und Trockenprozeduren sowie die Recycelbarkeit wird die Entwicklung und das Design von textilen Produkten maßgeblich antreiben. Für die weitere Verwendbarkeit von recycelten Textilmaterialen ist es nötig, sie effizient zu entfärben und die chemischen Substanzen aus den Alttextilien zu entfernen. Dazu eignen sich chemische Recyclingprozesse besser als mechanische Recyclingverfahren. Eine der großen Herausforderungen ist, eine umweltfreundliche Alternative zu schmutz- und ölabweisenden Produkten für Textilien zu finden.
Die Wiederverwendung von Bekleidung oder Second Hand-Kleidung wird im Kontext von Kreislaufwirtschaft immer wichtiger. Altkleider sind fast nie so lange getragen, dass sie unbrauchbar sind und können deshalb noch von anderen Menschen genutzt werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Sektoren Textilien, Kunststoffe, Verbundmaterialien und Holz ist nötig, um ein Maximum an recycelten Materialien in neuen Produkten wiederverwenden zu können.
Text: Kirsten Rein