Leichtbau-Innovationen für den Automobilbau
Die einen schwärmen vom „Stahl des 21. Jahrhunderts“, die anderen warnen aus Technologie- und Kostengründen vor allzu großen Erwartungen an die Nutzung von Carbonfaserwerkstoffen im Serien-Automobilbau. Während Befürworter den Machbarkeitsbeweis mit CKF-Vollkarossen bzw. Einzelkomponenten aus dem Wundermaterial mit Hightech-Image in Form von Stoßstangenträgern oder Heckklappen antreten, winken die Anhänger konventioneller Werkstoffe eher ab: zu teuer, nicht massentauglich, zu aufwändiges Recycling. Beide Seiten nehmen jedoch ermutigende Forschungserfolge der Textilforschungsinstitute wahr.

Textile Stoßstange (Quelle: SGL Kümpers): Carbongeflecht (Preform) und der fertige CFK-Stoßstangenträger für einen bayerischen Autohersteller
Ein Meilenstein wurde jetzt durch den sogenannten Leichtbaucluster gesetzt, in dem elf Forschungsinstitute ihre Kompetenzen bündelten. Nach zweijähriger Arbeit steht fest: Deutschland wird als eines von wenigen Ländern in wenigen Jahren Faserverbundbauteile automatisiert und in reproduzierbaren Qualitäten für mittlere und große Serien herstellen können. Ziel des Clusters war es, serienangepasste Materialien und Technologien zur effektiven Nutzung textilverstärkter Kunststoffbauteile zu entwickeln. Dank der interdisziplinären Forschungskooperation – am Techtextil-Stand des koordinierenden Instituts für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik der TU Dresden (ITM) wird darüber ausführlich informiert – stehen Wissens- und Anwenderdaten zur Verfügung, mit denen sich Prozesskosten und der dafür nötige Energieeinsatz spürbar senken lassen. Um die Preformzukunft zu demonstrieren, wurde ein Demonstrator in hochsteifer Topologiestruktur in Hybridbauweise produziert. Das robuste Leichtbauteil, das sich als Trägerstruktur in Fahrzeugen empfiehlt, besteht aus duroplastischen und thermoplastischen Komponenten auf Basis textiler Verstärkungsstrukturen.
Kostenfrage weiter im Mittelpunkt
Die Technologiefortschritte kommen jedoch nicht an den noch immer zu hohen Kosten für Carbonfasern vorbei. Erdölbasierte CFK-Bauteile haben einen Kilopreis von 200 Euro; vergleichbare Stahlelemente sind mit 2,50 Euro 80 mal (!) billiger. Dieses Missverhältnis lässt Automobil-Vordenker wie Dr. Stefan Kienzle, Leiter Forschung und Vorentwicklung Leichtbau, Material und Produktionstechnologien der Daimler AG, derzeit nur an komplexe CFK-Teile als „kurzfristiges Ziel“ und den generellen Ausbau der Carbon-Kompetenz in seinem Haus denken. Trotz der hohen Materialkosten, so Heinrich Timm, Leiter Technologie Netzwerke Audi AG, führe an Leichtbau, dem er vor Textilern in Dresden eine „Schlüsselposition“ für die Emissionsreduzierung zuwies, kein Weg vorbei. Hochleistungsfasern in Composite-Teilen seien eine wertvolle Ergänzung im Portfolio der Leichtbauwerkstoffe. Zum Beispiel habe der Audi A8 Coupé bereits 21 CFK-Teile. Aus seiner Sicht komme es vor dem Hintergrund des global jährlich um 17 Prozent ansteigenden CFK-Bedarfs darauf an, die Verarbeitungstechnologie, die „Jahrzehnte als Manufakturtechnologie“ bekannt sei, zu industrialisieren.

Selbstheilende Strukturen (Quelle: ITCF Denkendorf): Selbstheilende Textilstrukturen könnten eines Tages vielleicht kleine Risse in der Leichtbaukarosserie reparieren
Laut Zukunftsforscher Thomas Strobel steht die Textilforschung, die insbesondere faserbasierte Hightech-Materialien und Werkstoffe sowie dafür benötigte Technologien entwickelt, neben einer radikalen Kostensenkung vor zahlreichen weiteren Herausforderungen. Textiler Leichtbau werde auf Dauer nur eine Chance haben, wenn die Rohstoffrückgewinnung unter Energie- und Umweltgesichtspunkten mindestens so gut gelöst sei wie bei Metall. Und: Kohlefasern müssten mittelfristig wohl aus einem anderen Rohstoff als Erdöl hergestellt werden. Die textile Industrie wappnet sich bereits für diese Entwicklung.
Beitragsbild: Quelle – S. George Fußgängerfreundliche Motorhaube mit integrierten 3 D Textilien als Aufprallschutz – Gemeinschaftsentwicklung Dresdner und Aachener Textilforscher (Nils Bolk und Matthias Haupt vom ITM Dresden)