Klimawandel unter der Bettdecke
Etwa ein Drittel seines Lebens verbringt der Mensch im Schlaf. Dabei könnten künftig auch technische Textilien samt ihrer Potenziale zu ihm ins Bett „krabbeln“, wie eine nur auf den ersten Blick kuriose Konstellation zeigt: das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als Fördermittelgeber, zwei Forschungsinstitute sowie vier Industriepartner – und eine Bettdecke. Im Rahmen eines technologieübergreifenden Verbundprojekts entwickeln die Partner aus Forschung und Praxis derzeit eine Hightech-Bettdecke mit hohem Schlummerfaktor.
Studien belegen, dass nur etwa ein Fünftel der im Schlaf vom Körper produzierten Feuchtigkeit und Wärme an die Matratze abgegeben wird – der Hauptteil von 80 Prozent wird über das sogenannte Oberbett, also die Bettdecke, reguliert. Weil der Mensch – zumindest, wenn er mit der Absicht zu schlafen unter der Bettdecke liegt – nicht gerne schwitzt, muss diese für eine durchgehende ungestörte Erholung ein warmes, vor allem aber trockenes Klima gewährleisten und für einen ausgewogenen Austausch von Betttemperatur und Feuchte sorgen. Was simpel klingt, kann Forschungsgegenstand werden, wenn zumeist mit Naturmaterialien wie Federn, Daunen, Wolle oder auch synthetischen Materialmischungen befüllte Decken an ihre Grenzen kommen.
Experten sprechen dann gerne von „thermoregulatorischen Vorgängen“, untersuchen „thermophysiologische“ und „textilphysikalische Eigenschaften“. Zur Erforschung ihrer speziellen Klima-Bettdecke holten sich die Partner um das Sächsische Textilforschungsinstitut e. V. und das Hohenstein Institut für Textilinnovation denn auch das Know-how des Schlafforschers Prof. Jürgen Zulley ins – jetzt hätten wir fast „Bett“ geschrieben – Haus, der bereits im Vorfeld mit der am Projekt beteiligten Gebr. Sanders GmbH entsprechende Studien zum Thema angefertigt hatte. Der häufig auch als „Schlafpapst“ bezeichnete Spezialist für erholsame Nachtruhe hat in den letzten Jahren mit der Erforschung des direkten Zusammenhangs zwischen dem Klima in der Betthöhle und der Schlaftiefe von sich Reden gemacht. Generell lässt sich festhalten: Für einen guten Schlaf bevorzugt der Mensch statt tropischer Feuchte eher trockene Betthöhlen-Bedingungen.
Um die optimal zu erreichen, ist die neuartige Decke mit kleinen Inseln netzartiger voluminöser Abstandsgewirke versehen. Solche Abstandsgewirke sind bisher vor allem bei Unterpolsterungen im Matratzen-, Sitzmöbel- und Automobilbereich im Einsatz, wegen ihrer positiven klimaphysiologischen Eigenschaften aber offenbar auch als klimaregulierende Komponente in Oberbetten oder Kissen geeignet. Beim konkreten Projekt sorgen die Spezialtextilien für einen besseren Feuchtedurchlass und -transport; im Ergebnis bleibt die Betthöhle trocken. Das soll dem Ruhenden einen durchgehenden Schlaf ohne feuchtebedingte Aufwachphasen bescheren.
Ob Schlafpapst Prof. Zulley die innovative Bettdecke auch heiligsprechen wird, ist uns bisher nicht bekannt…
Bild oben: Deutsche Textilforschung: die Segel hart am innovativen Wind (Quelle: Gebr. Sanders GmbH)
Ronny Eckert