Jeans-Recycling im Garten

Kürzlich thematisierte ein „Spiegel Online“-Beitrag über nachhaltige Mode auch kompostierbare Jeans . Dazu ein paar Fragen an Christin Glöckner, die als Textilforscherin in der Abteilung Hygiene, Umwelt & Medizin am Hohenstein Institut für Textilinnovation Jeans und T-Shirts zu Wissenschaftszwecken verfaulen lässt.

Frau Glöckner, bioabbaubare Bekleidung kommt in Mode, aber mal ehrlich: Wozu eine kompostierbare Jeans?
Ganz einfach: Aus einem Bewusstsein für ökologische Verantwortung heraus.

Jetzt komme ich mir naiv vor…
Ach nein, das müssen Sie nicht. Häufig wird in Sachen Umweltverträglichkeit nur an den Herstellungsprozess und die einzelnen Bestandteile eines Produkts gedacht. Und in der Tat: Ein nachhaltiger Rohstoffanbau mit geringem Wasser- und Pestizideinsatz, eine sparsame Verwendung von Chemikalien beim Färben sowie die Reduzierung des Energieverbrauchs sind enorm wichtig für die Gesamtökobilanz eines textilen Produkts. Aber ein vollständiges Nachhaltigkeitsprofil sollte auch den umweltverträglichen Verbleib der Materialien nach Gebrauchsende enthalten. Das sieht übrigens auch die US-Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency (EPA) so, die spätestens seit dem VW-Skandal jeder kennen dürfte : Die EPA definiert die Bioabbaubarkeit von Materialien und Produkten als einen der wichtigsten Faktoren bei der Beurteilung des Gesamtumweltverhaltens.

Wirft Jeans nur zur Testzwecken weg: Textilforscherin Glöckner beim Probenzuschnitt im Labor (Quelle: Hohenstein Institute)

Wirft Jeans nur zur Testzwecken weg: Textilforscherin Glöckner beim Probenzuschnitt im Labor (Quelle: Hohenstein Institute)

Welchen Weg nimmt eine ausgediente Jeans denn üblicherweise?
Da gibt es natürlich die Klassiker, also Zweitverwertung über Second-Hand und Altkleiderspende, Recycling oder thermische Verwertung. Prozesse wie das Down- oder Upcycling, bei dem die ursprünglichen Materialien in geringerer bzw. höherer Produktqualität wiederverwendet werden, sind auch im Kommen. Mit zunehmend ökologischeren Materialien und Zusatzstoffen kommt nun die Bioabbaubarkeit hinzu. Wir sprechen dann übrigens von „biodegradablen“ Produkten.

Sind traditionelle Jeans von Hause aus biodegradabel?
In den meisten Fällen nicht: Eine handelsübliche Jeans besteht zwar zumeist aus Baumwolle, die als Naturfaser grundsätzlich auch bioabbaubar ist, häufig enthalten die Hosen aber auch elastische Kunststofffasern, um den Stretch-Faktor zu erhöhen. Damit ist die Jeans oft angenehmer zu tragen, aber es beeinflusst ihre Bioabbaubarkeit negativ. Hosenknöpfe hingegen sind kein Problem, die lassen sich vor der Kompostierung leicht entfernen.

Worin bestehen bei der Erforschung der Bioabbaubarkeit die größten Herausforderungen?
Wir müssen sicherstellen, dass kompostierbare Textilprodukte sich im Boden auch wirklich restlos auflösen, dass also die Materialien und Rückstände aus Färb- oder Veredlungsprozessen keinen negativen Einfluss auf die Umwelt haben. Wir sehen uns deshalb ganz genau an, was beim Verrotten verschiedener faserbasierter Materialien alles passiert – wie schnell bzw. wie langsam sie sich auflösen, was von ihnen übrig bleibt, welche Teile besonders widerspenstig sind usw. Eine große Rolle spielen dabei die ökotoxikologischen Untersuchungen.

Ökotoxiko… was?
„Ökotoxikologisch“, das kommt von „Ökotoxikologie“ und meint jene Wissenschaft, die sich mit Auswirkungen von Chemikalien auf die belebte Umwelt befasst. Wir müssen ja sicherstellen, dass keinerlei bedenkliche oder gar giftige Stoffe wie etwa die erwähnten Kunststoffanteile der Jeans im Boden zurückbleiben.

Klarer Sieger beim Wettrennen im Verrotten: Polyester (links) gegen Baumwolle (rechts) nach 0, 2, 5, 7, 12 und 14 Wochen (Quelle: Hohenstein Institute)

Polyester (links) gegen Baumwolle (rechts) nach 0, 2, 5, 7, 12 und 14 Wochen (Quelle: Hohenstein )

Lassen sich künstliche Zusätze denn überhaupt biologisch abbauen?
Darin besteht die besondere Herausforderung. Wir testen in letzter Zeit verstärkt synthetische Textilien, die zunehmend umweltverträglich sein müssen. Ein Beispiel: Derzeit untersuchen wir die biologische Abbaubarkeit von Carbonfasern aus Faserverbundwerkstoffen. Dabei setzen wir spezielle Mikroorganismen ein, die chemische Stoffe durch biochemische Prozesse verstoffwechseln können. Ich weiß, das klingt ein wenig verrückt, aber auf die Weise kann ein eigentlich nicht biologischer Kunststoffanteil mikrobiologisch abgebaut werden – und letztlich komplett in den Stoffkreislauf übergehen.

Also könnte ich eine „Kompost-Jeans“ auch einfach in meinen Garten werfen?
Wenn Ihnen egal ist, dass Sie dann ohne Hose vor Ihren Nachbarn stehen: klar.

Für alle, die von Bioabbaubarkeit einfach nicht genug bekommen können, gibt es hier und hier noch ein paar Filme.

Ronny Eckert

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