Giga ist das neue Mega
Violett, blau, grün, rot – mit diesen Farben in Form von Licht haben Wissenschaftler des Photonic Communications Lab (PCL) der Hochschule Harz einen bunten Weltrekord aufgestellt: Ihnen ist es gelungen, Daten über eine Länge von 100 Metern mit 8,26 Gigabit je Sekunde zu übertragen. Zum Vergleich: Aktuelle Internettarife versprechen mit einer megaschnellen VDSL-Leitung 100 Megabit pro Sekunde – also 0,1 Gigabit. Giga- statt megaschneller Datenübertragung?
Das kennt jeder: Man tippt ein Wort, sagen wir „Glasfaser“, in die Google-Suchmaschine ein, drückt „Enter“ und
sogleich nimmt das Licht die Beine Richtung Google-Server in die Hand, um nach 0,43 Sekunden mit rund 941.000 Suchergebnissen im Gepäck – etwa der Wikipedia-Info „Eine Glasfaser ist eine aus Glas bestehende lange dünne Faser“ – zurück zu sein; et voilà (15.000.000 Treffer in 0,31 Sekunden): so funktioniert die optische Datenübertragung per Glasfaser. Beeindruckend schnell, nicht? Allerdings verliert sich der Speed des Weitverkehrsnetzes auf den letzten Metern, denn dort bilden zumeist Kupferkabel einen Flaschenhals für die Daten, die diese dann nur per Strom statt Licht transportieren. Genau hier kommt die gigaschnelle optische Polymerfaser (13.000 in 0,34), auch „POF“ genannt, ins Spiel.
Mit ihr erreichten die Wissenschaftler des PCL um Prof. Dr. Ulrich Fischer-Hirchert, Inhaber der Professur für Telekommunikation am Fachbereich Automatisierung und Informatik an der HS Harz, die Weltrekord-Datenübertragung (64.400 in 0,21). Das gelang ihnen, indem sie das durch vier Laserdioden eingespeiste Licht (Farben: siehe oben) über einen sogenannten „Multiplexer“ leiteten, der den bunten Strahlenhaufen zu weißem Licht vermischte, das anschließend in eine einzelne Polymerfaser eingeleitet wurde. Am Ende der Leitung wartete in diesem Fall kein Suchmaschinen-Server, sondern ein „De-Multiplexer“, durch den sich das weiße Licht wieder in seine Einzelteile aufspalten ließ, um daraus das jeweilige Signal herauszulesen.
Nach Aussage des am Projekt beteiligten Dr. Matthias Haupt habe die Polymerfaser auf der Kurzstrecke neben ihrer Robustheit gegenüber Staub und Schmutz im Vergleich zu Kupferleitungen einen weiteren entscheidenden Vorteil: „Das mittels einer POF übertragene Licht wird weder durch andere Lichtquellen noch durch elektromagnetische Quellen gestört – und kann auch niemand anderen stören“, so Haupt. Das sei ein Grund, warum optische Polymerfasern vor allem im Automobilbereich – vom kleinen Smart bis zum großen Maybach – zur Datenübertragung verwendet werden: Durch sie kann der Datenstrom entlang der zuhauf im Auto verlegten Stromkabel ungestört fließen. Auch seien optische Polymerfasern („NSA“, 76.700.000 in 0,18 – das ging jetzt aber schnell…) abhörsicher. Fischer-Hirchert und Haupt wollen die Forschung weiter vorantreiben, um die Marke von zehn Gigabit pro Sekunde über 100 Meter zu knacken. Sie sind sich sicher, mit (noch) höheren Datenraten eine breite Palette neuer Anwendungsfelder für die „Flitzfasern“ erschließen zu können, darunter hochauflösende TV-Geräte (8k lässt grüßen), Datenübertragung in Flugzeugen und Zügen, aber auch in der Logistik und in der Fabrikautomation.
Wo alles so schön flitzt und blitzt, fällt uns ein: Wir müssen ja noch mega-, äh, gigaschnell ins Kaufhaus flitzen, letzte Weihnachtsgeschenke (hau mir ab mit Megabit!) besorgen – jaja, schon klar, wir sind zu spät dran, aber das hält uns nicht davon ab, allen Bloglesern ein frohes Fest und einen guten Rutsch in ein spannendes Techtextil-Jahr 2015 zu wünschen.
Bild oben: Leuchtend wie ein Weihnachtsbaum: In Spritzgusstechnik hergestellte POF-Koppelelemente zur Aufteilung und Zusammenführung von Datenströmen
Quelle aller Bilder: PCL/HS Harz