Funktion (fürs Ressourcensparen in jedweder Hinsicht) ist alles!

Charakteristisch für technische Textilien ist, dass in erster Linie nicht die Optik zählt, sondern die Funktion, sagt Stephan Schmidt vom IVGT und er muss es wissen – schließlich vertritt sein Textilfachverband mehr als 60 % der deutschen Textilindustrie und repräsentiert damit einen Branchenumsatz von sagenhaften 6,6 Mrd. € im Jahr, die vorwiegend mit technischen Textilien erwirtschaftet werden. Aber was genau liegt den nun im Trend? Sabine Anton-Katzenbach, anerkannte Branchenexpertin, ist sich sicher: Ressourcensparen!

Bei den technischen Textilien helfen da vor allem spezielle Beschichtungen und schützen so Gebäude und textile Bauten vor Hitze und verhindern den Wärmeaustrag im Winter. In Gewächshäuser sorgen Textilien mit spezieller Ausrüstung für Lichtfilterfunktion und damit für einen geringeren Ressourcenverbrauch, weil sie das Wachstum von Pflanzen begünstigen. Erste Versuche zielen darauf ab, Textilien als Stromspeicher zum Ausgleich von Spitzenlasten zu nutzen (Eisbärenhaus). „Wir haben inzwischen überall technische Textilien. Und wir brauchen sie auch“, betont Stephan Schmidt. Und weil wir ja naturgemäß immer mehr wollen, steigen eben auch die Anforderungen und dies führt wiederum zu immer noch anspruchsvolleren Ausrüstungen und neuen Funktionalitäten. „Multifunktionelle Oberflächen“ lautet hier das Zauberwort. Gemeint sind damit Kombinationen von Funktionen, wie etwa antimikrobielle, flammfeste Eigenschaften mit zusätzlichem Fleckschutz oder sensorische und gleichzeitig leuchtende Effekte. Am liebsten natürlich umweltfreundlich, wie etwa Flammschutzbekleidung auf Basis von Hochleistungsmetallhydroxiden. Aber auch die Integration von LED im Gewebe, damit dieses leuchtet, ist von hohem funktionellem Nutzen und kann zudem auch visuell faszinieren.

Textile Werbeträger mit LEDS von TITV Greiz

Textile Werbeträger mit LEDs von TITV Greiz

Mit diesen sogenannten „Smart Textiles“ beschäftigt sich z.B. das TITV Greiz. Inzwischen erforscht das Institut schon die wirtschaftliche Herstellung, um z.B. mit mini SMD-LEDs bestückte Fäden webtechnisch verarbeiten zu können. Großer Vorteil: die LEDs liegen dann innerhalb des Gewebes und erhalten mehr Stabilität und Schutz.  (Anmerk.: SMD steht für Surface Mounted Device und damit für ein oberflächenmontierbares Bauteil) Ein anderer Ansatz forciert die automatisierte Bestückung von zahlreichen integrierten Schaltkreisen oder von LEDs mittels löttechnischer Kontaktierung an der  Mehrkopf-Stickmaschine etwa zur Herstellung eines textilen Displays mit adressierbaren RGB-LEDs.  Womit wir mal eben bei den Wearable Technologies angelangt sind oder anders ausgedrückt den „SmartTextiles, die am Körper getragen werden“.

T-Shirt von Ambiotex: Gute Figur und Messung der Vitalparamter inklusive

T-Shirt von Ambiotex: Gute Figur und Messung der Vitalparamter inklusive

Hier hat z.B. das Unternehmen match2blue vor wenigen Tagen in San Francisco das innovative T-Shirt ambiotex (www.ambiotex.com) vorgestellt, mit dem Vitalwerte wie Puls, Atmung, Herzfrequenzvariabilität (HRV), Kalorienverbrauch  und körperliche Aktivität in Echtzeit gemessen werden können. Das in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für integrierte Schaltungen (IIS) entwickelte Shirt soll im Oktober 2014 auf den Markt kommen. Ähnliches verfolgen die Forscher am ITV Denkendorf und gehen der Frage nach: Wie kann man durch funktionale Kleidung Kälte und Hitze kontrollieren und damit die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Mobilität der Menschen verbessern? Wäre doch toll, wenn wir bald Bekleidung hätten, in der weder schwitzen noch frieren.

Hierzu untersuchen die Denkendorfer mit einer Art elektrischen Heizplatte (Guarded-Hotplate-Messverfahren) den Transfer von Wärmeenergie im System Mensch-Bekleidung-Umgebung, um energieeffiziente Textilien entwickeln zu können. Um Energieeffizienz geht es auch beim neuen Polstermöbelstoff von Art Novel (www.art-novel.de) als eine wohltuende Energiequelle, die den Energiehaushalt und Energiefluss in Einklang bringen soll. Dahinter verbirgt sich die Textiltechnologie energear von Schoeller Technologies (www.energear.ch), mit der die Ferninfrarotstrahlung des Menschen reflektiert an den Körper zurückgegeben wird.  Kein Humbug, wie die Hohensteiner Institute feststellen und „eine positive Wirkung von energear“ bestätigen. Nicht minder innovativ ist das Energiebeispiel Latent-Wärmespeicher von STS Textiles, Hersteller von Gestricken für Schlafsysteme, Kindersitze, Hitzeschutz und industrielle Anwendungen und jüngst als deutscher Top-Innovator ausgezeichnet. Mit dem fünf Millimeter dicken Textil lassen sich Wärme- und Kälteschutzwesten, mobile Wärmespeicher oder Rollos herstellen. Die Energieeinsparung bei einem Rollo beträgt z. B. bis zu 20 Prozent.

Um eine andere Ressource, nämlich der Ressource Arbeitszeit,  geht es beim „Okalift SuperChange“ von Kiesel Bauchemie. Hier hilft eine textile Zwischenlage – ein doppellagiges Gewebe aus hochfestem Polyester – Wand- und Bodenbeläge leicht anbringen und wieder entfernen zu können. Ein Sanierungsprofi schafft damit bis zu 60 qm in nur einer Stunde  (http://www.youtube.com/watch?v=0H6oSxiMnps). Eine Dimension weiter gehen die 3D Gewirke (Abstandsgewirke), die z.B. für die Wassergewinnung aus Nebel ohne Energiezufuhr genutzt werden, was derzeit auf der Wüstenforschungsstation Gobabeb in der Wüste von Namib in Namibia erprobt wird. Ebenfalls in der Wüste, jedoch auf technischen Textilien gebaut ist die „Palm Jumeirah“ in Dubai, eine künstlich im Meer angelegte Wohninsel auf Geotextilien und auch beim Flughafen von Hongkong handelt es sich um eine durch Geotextilien vergrößerte Insel, die übrigens nach wie vor als die größte zusammenhängende geotextile Fläche der Welt gilt.

Zu guter Letzt noch ein kleiner Ausflug der sprichwörtlich unter die Haut geht, denn als Gefäßersatz und Herniennetze kommen technische Textilien eben auch vielfach zum Einsatz und könnten bald sogar Spenderorgane überflüssig machen. Es gibt eben unzählige Beispiele für technische Textilien mit beeindruckenden Funktionalitäten.  Stephan Schmidt drückt es so aus: „Eine Welt ohne technische Textilien ist heute schlichtweg nicht mehr vorstellbar“. Technische Textilien sind eben unglaublich faszinierend – man könnte glatt ins Schwelgen kommen….

Copyright für das obere Bild: STS Grünbach

Iris Schlomski

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