Die textile Weltraumantenne
Es brauchte nur einige Alltagsgegenstände, darunter Regenschirm und Kleiderbügel, aus denen E.T. in den 80er-Jahren im Film von Steven Spielberg eine Antenne bastelte, um nach Hause zu telefonieren. Heute müsste der kleine Außerirdische womöglich etwas mehr Aufwand betreiben, um seinen Heimatplaneten zu erreichen.
Während Sie diese Zeilen lesen, rasen etwa 2700 Satelliten – quasi über Ihren Kopf hinweg – um die Erde. Sie beobachten das Wetter, zeichnen Klimaveränderungen auf und unterstützen Telekommunikations- und Navigationsdienste. Viel los da oben, könnte man meinen, aber das ist noch gar nichts: Das Raumfahrtunternehmen Blue Origin, gegründet von Amazon-Chef Jeff Bezos, Facebook und SpaceX, die Raketenfirma von Elon Musk, wollen in den nächsten Jahrzehnten Tausende weitere Satelliten ins Orbit schießen, um beispielsweise Menschen auch in entlegenen Regionen ans Hochgeschwindigkeitsinternet anzuschließen. (Fliegt bitte auch über Deutschland!)
Immer mehr Daten im Orbit
Mit steigender Satellitenzahl nimmt auch die Wellenmenge im Weltall zu – genauer: die Menge elektromagnetischer Wellen. Denn diese transportieren die Daten zu Wetter, Klima & Co. von der Erde zu den Satelliten, wo sie von Antennen empfangen und im Anschluss so aufbereitet werden, dass Wissenschaftler die Informationen herauslesen können. Bisher haben solche Satellitenantennen in der Regel einen Durchmesser von zwei bis drei Metern. Doch diese Größe dürfte künftig nicht mehr ausreichen, um die gigantischen Datenwellen zu empfangen.

Geht es nach den Projektpartnern rund um HPtex, sollen textile Weltraumantennen wie diese künftig auch in Europa hergestellt werden / Foto: ESA/LSS
Satelliten-Know-how in Europa etablieren
„Die zunehmende Komplexität weltraumbasierter Anwendungen im Zivil- wie im Militärbereich verlangt in Zukunft andere Lösungen“, sagt Peter Rauhut, Geschäftsführer bei der Firma HPS, die spezialisiert ist auf Systeme für die industrielle Raumfahrt. Um den wachsenden Datenmengen Herr zu werden, arbeiten Rauhut und sein Team gemeinsam mit dem Fraunhofer-Anwendungszentrum für Textile Faserkeramiken und weiteren Partnern an einer neuen Generation von Satellitenantennen. „Wir entwickeln Reflektoren mit Durchmessern bis zu 20 Metern“, sagt Rauhut. Ähnliche Reflektoren werden zwar schon hergestellt, allerdings fast ausschließlich in den USA. „Wir wollen das Know-how auch hier in Europa etablieren“, so Rauhut. Dabei setzen die Forscher und Ingenieure auch auf textile Materialien und Verfahren. Um diese besser entwickeln zu können, haben sie eigens die Firma HPtex gegründet – eine Tochter von HPS und Iprotex, einem Hersteller feiner Gewirke für den Einsatz in der Industrie.
Textile Entfaltung im Weltraum
So besteht etwa der entfaltbare Arm, der den Satelliten mit seinem Reflektor verbindet, aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK). Beim Reflektor selbst, dem Herzstück der Antenne, handelt es sich um ein ultrafeines Gewirk aus goldbeschichteten Wolfram (oder Molybdän), das dünner ist als ein menschliches Haar. Das Gewirk ist elektrisch leitfähig und an seiner Oberfläche reflektiv, um die von der Erde kommenden elektromagnetischen Wellen – also: die Daten – optimal „einfangen“ zu können. Die Konstrukteure hören das Wort „Weltraumantenne“ übrigens nicht so gerne. Sie sprechen lieber von – Achtung, wir treten in eine neue sprachliche Umlaufbahn ein – großen, entfaltbaren Reflektor-Subsystemen.

Sehr reflektiert: Das faltbare Metallgewirk wird an einer Struktur aus CFK befestigt / Foto: HPtex
Deren Faltbarkeit spielt eine entscheidende Rolle, denn damit lässt sich das Packmaß reduzieren. Und obwohl der neuartige Antennentyp größer ist als heute verwendete Modelle, soll er dank CFK leichter sein als diese. „Beim Transport eines Satelliten in den Erdorbit kostet ein Kilogramm Nutzlast heute um die 2000 Euro – das ist deutlich günstiger als bei der ersten Mondlandung, da war es zehnmal so viel, aber da ist immer noch Luft nach unten“, sagt Weltraumantennenspezialist Rauhut. Bis Ende 2020 soll die erste Reflektorantenne mit einem Durchmesser von fünf Metern fertig sein. „Dann testen wir unter Weltraumbedingungen“, so Rauhut, der sich sicher ist: Die Entwicklung faltbarer Weltraumantennen mit textilen Materialien hat in Europa gerade erst begonnen.