Der Stoff von Christo

Ein drei Kilometer langer Spazierweg aus 200.000 schwimmenden Würfeln auf einem 65 Quadratkilometer großen See in Oberitalien für 1,2 Millionen Menschen. Das ist der Stoff für die Verhüllungs-Story „The Floating Piers“ , mit der der offensichtlich textilaffine Christo kürzlich für zwei Wochen die Welt verzückte. Den faserbasierten Stoff für die Story lieferten zwei Textilunternehmen aus Deutschland.

„Es war ein ganz außergewöhnlicher Moment, die aus unserem Gewebe hergestellten Stege der ‚Floating Piers‘ zu betreten“, sagt Konrad Schröer, der als Geschäftsführer von Setex-Textil aus dem kleinen nordrhein-westfälischen Hamminkeln mit einem Teil seines Teams vor Ort in Italien war. Das Unternehmen hatte etwa 103.000 Quadratmeter – zum Vergleich: die gesamte Bürofläche des Frankfurter Messeturms beträgt etwa 62.000 Quadratmeter  – gelb-orangefarbenen Polyamid-Gewebes als eine Art „Teppich“ für die Schwimmwürfel produziert.

Kunstvolles Weben: Über 100.000 Quadratmeter gelb-orangenen Polyamid-Gewebes machten die „Floating Piers“ zum Hingucker / Quelle: Tobias Patzkowsky/Sputnik

Kunstvolles Weben: Über 100.000 Quadratmeter gelb-orangenen Polyamid-Gewebes machten die „Floating Piers“ zum Hingucker / Quelle: Tobias Patzkowsky/Sputnik

Zehn Wochen dauerte die Herstellung auf einer Greifwebermaschine (siehe Bild). Auf so einer Maschine hatte Setex auch schon die Stoffe für die Christo-Projekte „Wrapped Trees“  in der Schweiz und „The Gates“  im New Yorker Central-Park gefertigt. „Üblicherweise kommt unser Material in Produkten zum Einsatz, die wir nie zu Gesicht bekommen, in Filterschläuchen zum Beispiel“, so Schröer. Es sei „beeindruckend, die eigenen Stoffe auch mal als Hingucker zu erleben“. Laut Schröer habe die Herausforderung bei dem Projekt nicht nur in der Umsetzung der „ganz genauen Vorstellungen von Herrn Christo“ bestanden, sondern auch darin, „ein zugleich strapazierfähiges wie farbbrillantes Gewebe herzustellen“.

Gut versteckt: Nicht immer ist sichtbar, wo technische Textilien und Vliesstoffe ihr Fasern im Spiel haben / Quelle: Wolfgang Volz

Gut versteckt: Nicht immer ist sichtbar, wo technische Textilien und Vliesstoffe ihr Fasern im Spiel haben / Quelle: Wolfgang Volz

Für den Trittkomfort auf dem schunkelnden Schwimmkörper sorgten indes die rund 70.000 Quadratmeter nicht brennbaren technischen Vliesstoffes der Firma Altex aus dem westfälischen Gronau. Der direkt auf die Würfel unterhalb des farbigen Oberstoffes aufgebrachte Vliesstoff sicherte nicht nur den Halt der über zwei Millionen Besucher-Füße, sondern war auch – ähnlich einem Klebezettel – mit einer leicht haftenden Beschichtung überzogen, um die charakteristische Faltenoptik des farbigen Obergewebes zu stabilisieren.

Der Stoff wird nach seiner Italienreise – anders als Goethe  – von der Altex-Textil-Recyclingsparte geschnitten, aufgerissen, zerkleinert und bis zur Einzelfaser zurückgeführt. Das hat Tradition: „Wir haben schon bei Christos Verhüllung des Reichstags  das Stoffrecycling übernommen“, sagt Altex-Geschäftsführer Dirk Tunney. Die ehemaligen Kunstwerk-Fasern gehen nach ihrer Zerkleinerung – gepresst in große Ballen – zurück in die Vliesstofferzeugung, um ein neues Leben als Wärmeisolation im Kofferraum eines Autos, Begrünungsmatten an Erddämmen oder als Einkaufstasche zu beginnen.

Und weil ein Video mehr sagt als ein Bild, das immerhin schon mehr sagt als 1.000 Worte, gibt es hier und hier noch ein noch ein paar Bewegtbilder von vor Ort.

Ronny Eckert

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