Bierfiltration mit Viskosefasern
Geschmacksneutral und biologisch abbaubar, eignet sich die Viskosefaser besonders für den Einsatz im Lebensmittel- und Getränkebereich. Tee- und Kaffeetrinker profitieren schon lange von ihrer enormen Filtrationskraft. Bald könnten auch die Biergenießer dazu kommen: Ein Team des bayerischen Viskosefaserherstellers Kelheim Fibres und der Krones AG, laut eigenen Angaben Weltmarktführer für Getränketechnologie, erforscht derzeit die Viskosefaser-Bierfiltration.
Herkömmlich wird zur Bierfiltration sogenannte Kieselgur verwendet: Mithilfe des hochporösen Sedimentgesteins werden Trübstoffe und Reste von Hefe abgefischt. Kieselgur aber könnte nach Expertenangaben künftig als Sondermüll deklariert werden, was die Entsorgungskosten vervielfachen dürfte. Schlecht für Kieselgur, gut für Kelheim Fibres, laut eigenen Angaben mit rund 90.000 Tonnen Fasern jährlich weltweit führender Produzent für Viskosespezialfasern für Fashion, Hygiene oder Medizin: „Unser Ziel ist es, mit Viskosefasern eine echte Alternative zu Kieselgur zu entwickeln“, so Dr. Philipp Wimmer aus der Forschung und Entwicklung von Kelheim.
Gesünder filtern
In Teebeuteln und Kaffeepads aufgrund ihrer biologischen Abbaubarkeit – wer kennt es nicht:

Frisch aus der Tüte: Viskosefasern zur Herstellung von T-Shirts, Geldscheinen oder künftig auch Bier (Quelle: Stefan Kiefer/Kelheim Fibres)
Teebeutelweitwurf auf den Biomüll – längst Standard, werden die in ihrer chemischen Zusammensetzung der Baumwolle gleichenden Viskosefasern aus natürlicher Cellulose von Laub- oder Nadelhölzern gewonnen. Dabei wird die Cellulose zu einer honigartigen und zähflüssigen – also „viskosen“ – Masse verarbeitet, aus der die Fasern hergestellt werden. Das zur Fasertheorie, kommen wir zurück zum Bier.
Die „Gerstenkaltschale“ würde laut Wimmer mit Viskosefasern umweltfreundlicher filtriert werden, weil die Fasern im Anschluss an ihr Filtrationsdasein als Produkt nachwachsender Rohstoffe CO2-neutral verbrannt, kompostiert oder verfüttert werden können. Auch habe die Faser gegenüber Kieselgur den Vorteil, dass sie nicht staube: „Kieselgur ist aufgrund der Staubentwicklung während des Filtrationsprozesses in den letzten Jahren in die Kritik geraten, weil es gesundheitsschädlich ist für das Brauereipersonal“, erklärt Wimmer. Durch das Einbringen funktioneller Additive ließen sich die Fasern zudem optimieren, beispielsweise für die Gerbstoffentfernung. Weil die Additive dabei in der Faser eingeschlossen werden, entfalten sie ihre Wirkung, ohne in das Produkt überzugehen.
Ein „Viskosefasergefiltertes“, bitte

Für alle, die sich schon immer gefragt haben, wie ein Produktionsstandort für Viskosefasern aussieht, an dem auch „Bierforschung“ betrieben wird, hier die „donauschicke“ Antwort in Form des Hauptsitzes von Kelheim Fibres in Regensburg (Quelle: Kelheim Fibres)
Die schlechte Nachricht zum Schluss: Alle, die sich nun auf ein frisch gezapftes „viskosefasergefiltertes“ Bier freuen: „Für die Filtration echten Bieres ist es noch etwas zu früh – auch wenn wir bereits erfolgreich Biersubstitute filtriert haben, eine Kostprobe können wir noch nicht anbieten“, so Wimmer. Das Forschungsprojekt, nach dessen Abschluss Kurs auf die Kommerzialisierung genommen werden soll, läuft noch bis Mitte 2016.
Wir können nur sanft zu etwas Tempo mahnen, denn im kommenden Jahr feiert das deutsche Reinheitsgebot sein 500. Jubiläum. Wäre doch ein tolles Geburtstagsgeschenk, ließe sich im Jubeljahr des Bieres mit einem „Frischfasergezapften“ ausrufen: „Prost!“
Und für alle, die beim nächsten Bier ein wenig glänzen wollen: „Wie das Bier im Sommer und Winter auf dem Land ausgeschenkt und gebraut werden soll“ lautet der ursprüngliche Titel der im April 1516 erlassenen Verordnung, die als „Reinheitsgebot“ Weltgeltung erlangen sollte – und bei der es sich laut deutscher Brauereiwirtschaft um das älteste Lebensmittelgesetz der Welt handelt.