800 Millionen Grasfäden für ein Fußballfeld
Im Fußball gibt es verschiedene Weisheiten. 1. Ein Spiel dauert 90 Minuten. 2: Es stehen 22 Spieler auf dem Feld. 3. Der Ball ist rund. 4. Ein Rasen hat 800 Millionen Grashalme. 5. Am Ende gewinnt immer Deutschland. Moment: 800 Millionen Grashalme? Richtig, wenn man sich den Kunstrasen anschaut, der bei der Frauen FIFA WM in Kanada zum Einsatz kam.
Das Wort Kunstrasen ist hierzulande unter Fußballern in etwa so beliebt wie „Torlinientechnik“ oder „Zeitlupenwiederholung.“ Trotz vernünftiger Vorteile zaudern viele Vereine und Spieler noch mit den neuen technischen Möglichkeiten. Jüngst sagte der Dortmunder Marco Reus seine Teilnahme am Hinspiel der Europa-League-Qualifikation bei Odds BK ab. Der Grund: Die Norweger bestreiten ihre Heimspiele stets auf Kunstrasen. Reus, der wie sein Verein noch nie zuvor auf Kunstrasen gespielt haben soll, begründete seine Absage mit der erhöhten Verletzungsgefahr. „Für meinen Körper, gerade wegen der Verletzungen, ist es nicht so vorteilhaft, auf Kunstrasen zu spielen“, sagte er vor dem Spiel.
Reus, der bislang eher durch andere Probleme beim Rasen auf sich aufmerksam machte, hätte lieber auf dem Platz stehen sollen. Der BVB gewann schließlich knapp 4:3. Für die Norweger liegen die Vorteile des Kunstrasens klar auf der Hand: Dem Material macht weder Kälte noch Hitze etwas aus, es hält mit bis zu 15 Jahren dreimal so lang wie natürlicher Rasen und spart dadurch erheblich Kosten. Nicht ohne Grund setzte Kanada in all seinen Stadien während der Frauen Fußball WM in diesem Jahr Kunstrasen ein. Auch bei der Männer WM in Katar, bekannt für seine hochsommerlichen Temperaturen, soll der Untergrund genutzt werden.
Kunstrasen besteht zumeist aus Polypropylen, Polyethylen oder Polyamid. Bei dem in Kanada verwendeten Material handelte es sich um LLDPE, also „linear low density polyethylen“, ein Typ mit geringer Dichte. Zwei große Monofilamentanlagen in den USA produzierten die Grasfäden, die sich vor der Auslieferung einer umfangreichen Zertifizierung durch die FIFA unterziehen mussten.
Die Anlagen stammten übrigens aus Deutschland. Die Firma Reimotec Maschinenbau GmbH aus
Lampertheim entwickelte die Maschinen- und Produktionstechnik und konnte deshalb genau nachzählen, auf wie vielen Grashalmen die Fußballerinnen um den Titel kämpften. Laut Vertriebsleiter Detlef Kolb hatte ein Feld fast exakt 800 Millionen „Grashalme.“ Zwar blieb die Meinung um den Kunstrasen aufgrund des eingesetzten Granulats lange gespalten, doch das LLDPE bewährte sich. Wer weiß, vielleicht beißt Marco Reus wie seine Kolleginnen in Zukunft die Zähne zusammen und zeigt auf Kunstrasen sein Können.
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